Die Scheinlichkeit der Dinge

Aus Terry Lennnox' Untersuchungen
der Wirklichkeit.

Lennnox sieht sich – nun älter und damit langsamer werdend – mit der fortschreitenden Kommunikations-Veränderung (Beschleunigung) konfrontiert. Die Lage ist unübersichtlich geworden. Die Nahrhaftigkeit einer Information scheint hinter ihren vielfach duplizierten Varianten immer schwerer auszumachen. Nett sind z. B. die headlines, deren Aussage („Jeder kriegt 10.000 Euro geschenkt*“) per Fußnote gleich widerrufen wird („*Gilt nur für Frauen und Männer ab einem Alter von 145 Jahren“). Wobei die Rechtsabteilung auf die Notwendigkeit des urkundlichen Nachweises drängen und wohl raten würde, das Alter sicherheitshalber um 10 Jahre höher zu setzen.

Und will man genauer wissen, wer der Gute und wer der Böse ist, oder was die Folgen einer Eurokrise sind, gerät man in die Welt der Gutachter. Die stellt sich wiederum uneinheitlich bis gegenpolig dar, was in gewisser Weise sogar natürlich scheint. Schein-Welt?

Lennnox beginnt, diesen Dingen Aufmerksamkeit zu widmen. Statistiker sprechen von der „Modellierung des Unsicheren“ und davon, das „jede Form der Unsicherheit durch Wahrscheinlichkeiten quantifizierbar ist“ (T. Augustin, LMU München, 2008). Aber gilt das auch für ein schneeballartiges Kommunikations-System wie z. B. Social Network? Hat das nicht Merkmale eines „Schwarmverhaltens“? Wikipedia: „(...) Bei Richtungsänderungen des Schwarms reagiert (?agiert?) nicht unbedingt die Schwarmspitze, jedes Individuum kann eine Richtungsänderung hervorrufen und der ganze Schwarm organisiert sich hierdurch um (...)“.

Ein interessantes Phänomen ist auch die Skalierungsproblematik. 3Sat/scobel: „Die nicht automatisch möglichen Übertragungen von einer Größenordnung in die andere sind Skalierungsprobleme (...). Die Masse zeigt überraschende Verhaltensweisen (...), die man nicht mehr aus dem Verhalten der Individuen hochrechnen kann (...). So besteht Gas aus vielen Atomen beziehungsweise Molekülen. Als Gesamtsystem zeigt es eine Fülle von Eigenschaften wie Temperatur, Druck und verschiedene Aggregatzustände, die einzelne Atome nicht besitzen können (...)“.

Was also, wenn man nicht wirklich eine Chance hat, die Zusammenhänge zu verstehen? Im Wörterbuch der Brüder Grimm findet Lennnox den Begriff der Scheinlichkeit erklärt als „äuszerer schein im gegensatz zum wesen“.

Diese Definition des Wortes wegen – eben nicht ob des zwangsweise Empfundenen – gibt Lennnox eine invertierte Hilfestellung: äußerer Schein und Wesen der Dinge sind quasi variable Gegenpole. Es muss im Empfinden, im Erleben kein Gegensatz sein, aber es kann. Es gibt dazwischen einen Bereich, in dem man seine Position finden muss.

Wie war das bei unseren Dschungel-Vorfahren? Waren es nicht die Instinkte, die Erfahrungen, die ihnen den Weg über Generationen durch die Zeit geebnet haben: der Dschungel scheint friedlich, ich kann den Tiger nicht sehen. Aber ich weiß, dass er da ist… ich spüre es! Das kann man nur dann, wenn man das „gegensatzlose“ Gefühl des friedlichen Dschungels ebenfalls kennt.

Der „äuszere schein“ einer Situation (oder Kommunikation) wird also erst durch die erlebte Bandbreite der möglichen Wesens-Gegensätze nutzbar.

Vielleicht ist es dieser Instinkt, der heute hilft. Wenn wir ein modernes Scheinlichkeits-Gen hätten, könnte man nicht viel präziser und schneller an Kommunikationstigern vorbeimanövrieren?

Lennnox entwickelt Ende 2010 eine Scheinlichkeits-Skala um die Grundidee zu visualisieren. Nicht mehr die Wahr-Scheinlichkeit einer Information oder Kommunikation ist alleiniger Anspruch, sondern der vom jeweiligen Betrachter abhängige Punkt in der Scheinlichkeitsskala. Neben dem gegenpoligen Extrem der Unwahr-Scheinlichkeit stellt Lennnox die Augen-Scheinlichkeit als quasi neutral in den Mittelpunkt der Informationsaufnahme.

Mit den ersten Werken, die er uns nun hier zur Verfügung stellt, bietet er eine Bildkommunikation an, in deren Kompositionen seine Skalen der Scheinlichkeiten eingearbeitet sind.

(Update-1) Köln, August 2012


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